Übersicht über wichtige gesetzliche Regelungen
Berufstätigkeit und Dialysebehandlung wie Hämodialyse oder kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse schließen sich nicht aus, sondern können mit dem Berufsleben in Einklang gebracht werden, wenn der Patient einer geeigneten Arbeit nachgeht, möglichst keinen Schicht- oder Nachtdienst zu leisten hat und keine Tätigkeiten mit schweren körperlichen Belastungen ausübt.
Nur wenige Berufe müssen wegen einer dialysepflichtigen chronischen Niereninsuffizienz aufgegeben werden. Dazu zählen in erster Linie alle Tätigkeiten im Bereich der Personenbeförderung, also z. B. als Pilot, Lokomotivführer, Straßenbahn-, Bus- oder Taxifahrer oder im Bereich der Transportunternehmen (Lkw- Fahrer, Paketzusteller oder Fahrer in anderen Funktionen). Tätigkeiten unter Tage oder am Hochofen gehören ebenfalls dazu.
Einerseits ist die Art der Berufstätigkeit ausschlaggebend, anderseits die Gestaltung der Arbeitszeit. Dialyseart und -zeit sind ebenso für die weitere Berufstätigkeit maßgebend wie auch die familiäre Situation des Patienten.
Auswirkungen der chronischen Erkrankung zunächst abwarten
Zu Beginn einer Dialysebehandlung wird in aller Regel eine Arbeitsunfähigkeit bei einem Berufstätigen ausgelöst, da zunächst einmal die Dialyse ein solch schwerwiegender Eingriff ist, den der Patient sowohl körperlich als auch psychisch verarbeiten muss. Es sollte zu diesem Zeitpunkt keinerlei Veränderung in einem eventuell noch bestehenden Arbeitsverhältnis vorgenommen werden, sondern zunächst gilt es abzuwarten, wie die Auswirkungen der chronischen Erkrankung sind, und ob sie eine weitere Berufstätigkeit gestatten. Stellt sich heraus, dass tatsächlich mit einer Wiederaufnahme der Arbeit gerechnet werden kann, ist zu klären, welche Behandlungszeiten am besten mit den Arbeitszeiten in Einklang zu bringen sind.
Der Heimdialysepatient hat, wenn er die Heimhämodialyse durchführt, sicher eine größere Flexibilität in der Durchführung der Behandlung als der Zentrumsdialysepatient. Dennoch sollten die Leitungen der Dialysezentren darauf achten, dass sie für Berufstätige Behandlungsschichten an den Nachmittagen oder Abenden anbieten, die es den Patienten gestatten, weiter einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Inwieweit dies auch für die Heimdialysepatienten zutrifft, die die Peritonealdialyse durchführen, wird im Folgenden noch näher erläutert.
Gesetzliche Regelungen zum Schutz der Berufstätigen
Zahlreiche gesetzliche Regelungen schützen die Berufstätigen und sichern ihnen Leistungen zu. Ganz wichtig ist für den Arbeitnehmer das Schwerbehindertenrecht, in dem der erhöhte Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen mit einem amtlich anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 geregelt ist. Hierdurch entsteht ein Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage, Steuerfreibeträge und Nachteilsausgleiche.
Der Krankenversicherungsschutz erstreckt sich nicht nur auf die Krankenbehandlung, sondern auch auf Krankengeld (Ersatz für durch Krankheit entgangenen Lohn), stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, Rehabilitationsmaßnahmen sowie ergänzende Leistungen zur Rehabilitation und vieles mehr.
Die Leistungen der Rentenversicherung beinhalten ebenfalls Rehabilitations- und Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsprozess. Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung sollten nur dann beantragt werden, wenn feststeht, dass eine Berufstätigkeit gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausgeübt werden kann.
Wiedereingliederungshilfe, behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes, Umschulung sowie Rehabilitationsmaßnahmen werden von unterschiedlichen Sozialträgern erbracht und sind im Sozialgesetzbuch IX verankert, in dem die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen festgeschrieben sind.
Zu beachten ist, dass beim Auftreten einer dialysepflichtigen chronischen Niereninsuffizienz bei einem Erwerbstätigen zunächst keine beruflichen Veränderungen ohne Grund vorgenommen und keine Rente beantragt werden sollten, wenn noch ausreichend Krankengeldanspruch besteht.
Hämodialysepatienten erhielten in der Vergangenheit von gesetzlichen Krankenversicherungen einen Lohnausfallersatz, wenn zum Beispiel durch die Dialysebehandlung am Tag weniger Stunden gearbeitet wurden als vereinbart. Hatte der Patient üblicherweise bis 16 Uhr zu arbeiten und musste wegen der Dialyse bereits um 14 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen, dann zahlte die gesetzliche Krankenversicherung den durch die zwei Fehlstunden entstandenen Lohnausfall als ergänzende Maßnahme zur Rehabilitation. Das war kein Krankengeld im Sinne des Sozialgesetzbuches V §44.
Krankengeld für Dialyse während der Arbeitszeit
Durch die seit dem Jahre 2004 gültigen Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (der Ärzte und Krankenkassen) ist diese Leistung aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung herausgenommen und ersetzt worden. In diesen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ist vorgesehen, dass für den Dialysetag Krankengeld gezahlt werden kann, wenn die Behandlung nur während der Arbeitszeit möglich ist. Es werden dabei sowohl die Behandlungszeiten in der Dialyseeinrichtung als auch die Fahrten dorthin und nach Hause sowie eventuell erforderliche Ruhezeiten berücksichtigt. Gleichgültig ist, ob der Arbeitnehmer doch noch ein paar Stunden an diesem Behandlungstag arbeitet oder nicht – es ist ein kompletter Leistungstag der gesetzlichen Krankenkasse, so dass dieser auch bei einer eventuellen Leistungsunterbrechung – die für dieselbe Erkrankung innerhalb von drei Jahren eintritt, wenn 546 Tage oder 78 Wochen unter Anrechnung der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers Krankengeld in Anspruch genommen wurde – angerechnet wird.
Wird die Dialyse dienstags, donnerstags und samstags durchgeführt und arbeitet der Patient jeweils fünf Tage pro Woche von montags bis freitags, dann fallen nur zwei Leistungstage durch die Arbeitsunfähigkeit an Dialysetagen in der Woche an. Bei Dialysen montags, mittwochs und freitags sind es dann allerdings drei Tage pro Woche, so dass die Leistungsgrenze von 546 Tagen schneller erreicht werden wird.
Bevor man seine Voll- in eine Teilzeitstelle umwandeln lässt, sollte geprüft werden, ob die Krankschreibung an den Dialysetagen bei weiter bestehender Vollzeitbeschäftigung letztlich die bessere Lösung ist. Allerdings sollte hier Sozialberatung in Anspruch genommen werden, damit es nicht zur Leistungsunterbrechung und damit zu Nachteilen für den Patienten kommt. Diese Beratung kann u.U. durch die für das Zentrum tätigen Sozialarbeiter oder Patientenbeauftragte eingeholt werden. Der Sozialverband Deutschland (VdK), der in allen Bundesländern zu finden ist, vertritt die Interessen der Behinderten und berät sie unentgeltlich.
Der Arbeitgeber wird letztlich durch die Krankschreibung an Dialysetagen und die damit verbundene Krankengeldzahlung entlastet und zahlt dann nur noch drei Fünftel des bisherigen Gehaltes, falls zwei Arbeitstage durch die Behandlung pro Woche ausfallen. Auch der Urlaubsanspruch wird damit auf drei Fünftel des bisherigen Urlaubs reduziert. Es könnte sein, dass eine Teilzeitbeschäftigung mit einer teilweisen Erwerbsminderungsrente die bessere Lösung auf Dauer ist.
Peritonealdialysepatienten können von der beschriebenen Lösung keinen Gebrauch machen.
Sie fallen nur stundenweise wegen de Dialyse am Tag aus.
Kann die Dialyse als Hämo- oder auch Peritonealdialyse nachts durchgeführt werden, ist es eventuell möglich, ohne die durch Dialyse entstehenden Ausfallzeiten zurechtzukommen. Das gilt natürlich auch für die Patienten, die die Hämodialyse nach einer entsprechenden Ausbildung zu Hause durchführen und die Gestaltung der Arbeitszeit dabei berücksichtigen können.
Was geschieht, wenn ein geeigneter Arbeitsplatz fehlt?
Ist ein Arbeitgeber mit der tageweisen Krankschreibung nicht einverstanden oder verfügt er nicht über den geeigneten Arbeitsplatz, wenn ein schwer körperlich arbeitender Patient die vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit nicht wieder aufnehmen kann, muss sehr gut überlegt werden, welche Konsequenzen erfolgen sollten. Auch hier heißt es wieder: Sozialberatung und Hilfe für die zu treffende Entscheidung sind nötig. Sofern die Vorversicherungszeit für einen Rentenanspruch erfüllt ist (60 Beitragsmonate), sollte die Höhe einer vollen Erwerbsminderungsrente erfragt werden. Die teilweise Erwerbsminderungsrente beträgt die Hälfte dieser Summe.
Liegen dem behandelnden Arzt Hinweise vor, die die Weiterbeschäftigung des Patienten auf dem bisherigen Arbeitsplatz in Frage stellen, soll dies der Krankenkasse mitgeteilt werden. Diese wird dann im Zusammenwirken mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen unter Hinzuziehung des Arbeitgebers prüfen lassen, ob eine für den Gesundheitszustand des Versicherten unbedenkliche Tätigkeit beim selben Arbeitgeber möglich ist.
Der Patient soll – so sehen es die Richtlinien vor – seine Zustimmung für eine solche Prüfung geben. Erklärt er sich mit einem anderen Arbeitsplatz einverstanden, endet die Arbeitsunfähigkeit und damit die Krankengeldzahlung. Unter Umständen muss dann der Arbeitnehmer mit einer Gehaltsminderung rechnen. Zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit während des Leistungsfalles ist im übrigen der Versicherte vom behandelnden Arzt nach der aktuell ausgeführten Tätigkeit zu befragen.
Vorschriften für Arbeitslose
Versicherte, bei denen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis endet, und die keine qualifizierte Ausbildung haben – also An- oder Ungelernte –, „… sind nur dann arbeitsunfähig, wenn sie die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausüben können“ (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Trifft dies nicht zu, wird der Patient als arbeitsfähig angesehen und hat keinen Anspruch auf Krankengeld, wohl aber auf Arbeitslosengeld, wenn die sonstigen Voraussetzungen dafür grundsätzlich vorliegen. Arbeitslose wiederum sind ohne Rücksichtnahme auf die bisherige Tätigkeit nur arbeitsunfähig, wenn sie wegen einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in dem zeitlichen Umfange zu verrichten, für die sie sich bei der Agentur für Arbeit gemeldet haben.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (www.g-ba.de) hat in seiner Richtlinie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auch Empfehlungen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers gegeben. Die Wiedereingliederung soll zum Ziel haben, dass in absehbarer Zeit – nicht länger als sechs Monate – das Arbeitsverhältnis in vollem Umfang wiederaufgenommen werden kann.
Nur wenn dieses Ziel angestrebt wird, ist im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, der Krankenkasse und nicht zuletzt mit dem Patienten ein Plan zu erstellen, aus dem sowohl der Umfang als auch die Art der Tätigkeiten hervorgehen. Arbeitnehmervertretungen im Betrieb sowie der Betriebsarzt sind mit einzubeziehen. Entsprechende kassenärztliche Vordrucke zur Festlegung der Wiedereingliederung und damit Leistungsbeantragung liegen dem Vertragsarzt in der Regel vor.
Während einer stufenweisen Wiedereingliederung bezieht der Patient weiter Krankengeld, sofern ein entsprechender Anspruch noch besteht. Ist dies nicht der Fall oder nicht in vollem Umfang, sind die Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung nach dieser Vorschrift nicht erfüllt. Das gilt natürlich auch, wenn der Arbeitgeber sich nicht in der Lage sieht, den Arbeitnehmer wie geplant zu beschäftigen. Während der Wiedereingliederung hat der behandelnde Arzt den Patienten regelmäßig zu untersuchen und die durch die Arbeit entstehenden gesundheitlichen Auswirkungen festzustellen – besonders dann, wenn die Arbeitszeit und die damit verbundene Belastung angehoben werden sollen.
Stellt sich während der Phase der Wiedereingliederung heraus, dass das angestrebte Ziel der Vollzeitbeschäftigung nicht erreicht werden wird, ist die stufenweise Eingliederung in Arbeit abzubrechen, und der Patient bleibt im Krankenstand. In einem solchen Fall muss in der Regel relativ rasch eine Prüfung – und Entscheidung – über das weitere Vorgehen stattfinden. Kann die Berufstätigkeit teilweise oder gar nicht wiederaufgenommen werden? Welche finanziellen Regelungen sind möglich, wenn das Krankengeld wegen des Erreichens des Höchstanspruches von 546 Tagen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Erkrankung nicht mehr weitergezahlt werden wird?
Fazit
Eine fachkundige Beratung sollte in jedem Falle vor der Einleitung von Rentenverfahren, Umschulungen, Rehabilitationsmaßnahmen oder anderen einschneidenden Veränderungen im Berufsleben mit Auswirkung auf finanzielle Absicherung in Anspruch genommen werden!
aus KfH aspekte 2/10