Covid-19 – der Stand der nephrologischen Forschung

Die Infektionskrank­heit Covid-19 befällt am stärksten die Lungen, aber auch andere Organe. Häu­fig sind die Nieren betroffen, haben Wis­sen­schaftler heraus­gefunden. Schon früh im Verlauf der Er­krankung haben viele Patienten Eiweiß oder Blut im Urin, das ermittelte eine Studie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – frü­he Anzeichen einer Nierenbeteiligung. Diese läßt bei Covid-19-Patienten die Sterblichkeit steigen – laut einer von der Deutschen Gesellschaft für Ne­phrologie (DGfN) zitierten chinesischen Studie um den Faktor 10.

Die Universitätsmedizin Göttingen hat einen „Therapiepfad“ entwickelt, um anhand der Nie­renwerte Risikopatienten einzuordnen und früh intensiviert zu behandeln. Kernparameter sind Eiweiß im Blut, Eiweiß im Urin und Antithrom­bin-III, ein Protein für die Blutgerinnung. Der Göt­tinger Nephrologe Prof. Dr. Oliver Gross erläutert: „Bereits zwei dieser drei Parameter erhöhen das Risiko der Patienten relevant, intensivpflichtig zu werden.“ Die Nieren sind somit ein Seismograf, erlauben eine frühzeitige Vorhersage des Covid-19-Verlaufs. Eine prophylaktische Therapie, etwa Entwässerung, kann Komplikationen wie Wasser in der Lunge oder einer Lungenembolie entge­genwirken.

„Wir lernen jeden Tag dazu, über das Virus, die Epidemiologie, die Verläufe der Krankheit“, sagt Prof. Dr. Matthias Girndt, Mitglied im erweiterten Vorstand der DGfN. Der Direktor der Klinik für In­nere Medizin II am Universitätsklinikum Halle (Saale) ist auch Ärztlicher Leiter des dortigen KfH-Nierenzentrums. Er wünscht sich, „daß auch die Nicht-Nephrologen darauf achten, wenn bei Covid-19 eine Nierenbeteiligung auftritt“.

Weiter hohes Risiko

Weiterhin gelten Dialysepatienten und Nieren­transplantierte als Hochrisikogruppen für schwe­re Verläufe der Covid-19-Erkrankung. „Sie haben eine eingeschränkte Immunabwehr – die Dialyse­patienten durch die Nierenkrankheit, die trans­plantierten Patienten durch die immunsuppressi­ven Medikamente“, erläutert Girndt. Dialysepa­tienten vereinen zudem häufig mehrere Covid-19-Risikofaktoren, etwa Herzerkrankungen, Blut­hochdruck, Diabetes und hohes Alter.

„Glückli­cherweise haben wir in Deutschland weniger Fäl­le und damit ist das Ansteckungs­risiko geringer. Auch unsere Patienten können wieder etwas frei­zügiger leben“, berichtet Girndt. „Im März, April, war große Sorge spürbar. Die Patienten haben die sozialen Kontakte vermißt. Nun ist die Stimmung besser.“ Dennoch müsse man vorsichtig bleiben. „Die Pandemie ist nicht vorbei. Das Gefühl, es hin­ter uns zu haben, könnte uns heftig trügen. Wir sind sehr vorsichtig und rechnen damit, daß die Fallzahlen im Herbst noch einmal hochgehen. Wir wissen auch nicht wirklich, was die klimatischen Bedingungen für eine Konsequenz haben, ob das Coronavirus, ähnlich wie die Grippe, im Winter mit Macht zurückkommt.“ Die Medizin sei aber bereit: „Wir haben die Materialien, wir haben die Prozesse aufgesetzt, wir können damit umgehen.“

Konsequenzen im Blick

Inzwischen richten die Nephrologen den Blick in die Zukunft. Girndt findet es wichtig, sich darauf zu konzentrieren, die Konsequenzen von Covid-19 für die Nieren beim ursprünglich Gesunden zu analysieren: „Sind diejenigen, die die Infektion überstanden haben, langfristig in Gefahr, Nieren­probleme zu entwickeln? Das wäre eine wichtige Frage.“

Die Sorge um die Nachsorge treibt auch DGfN-Präsident Prof. Dr. Jan C. Galle, der von „besorg­niserregenden“ ersten Erkenntnissen berichtet: „Wir haben festgestellt, daß ein hoher Prozent­satz derer, die mit einer Covid-19-Erkrankung beatmet werden, auch dialysiert werden müssen. Etwa 30 Prozent. Die Niere ist prominentes Ziel­organ einer SARS-CoV-2-Infektion.“ Im Prinzip sei nicht einmal klar, ob sich die erhöhte Eiweißaus­scheidung bei Patienten mit leichten Covid-19-Verläufen, die zuvor nierengesund waren, voll­ständig zurückbilde oder dauerhaft bestehen bleibe. „Wir haben Langzeitfolgen in allen mögli­chen Organgebieten zu erwarten.“

aus: KfH aspekte 3/2020